In unserem Empfinden ist Evolution etwas, das bereits stattgefunden hat und ist daher etwas Vergangenes. Wir denken dabei meist an die Zeit der Dinosaurier und die Entwicklung der Säugetiere und Vögel nach dem Aussterben dieser „Riesenechsen“.
Doch dieses Empfinden ist falsch – Evolution findet nach wie vor tagtäglich statt, soweit der Mensch sie zulässt oder sogar verursacht. Meist läuft sie langsam und unbemerkt ab – es kann aber auch schneller gehen, als mit unserem Verständnis über ökologische Prozesse erklärbar ist.
Und das schenkt Hoffnung! Denn auf den Flächen, die die Klimapartnerschaft.at der Natur zurück gibt, können sich die Lebensgemeinschaften ungehindert auf die Klimaveränderungen und Schadstoffeinträge anpassen. Menschliche Eingriffe - selbst wenn sie noch so gut gemeint sind – haben nämlich immer einen Einfluss auf diese Prozesse.
Dieses Potential der Natur unsere Umweltbelastungen auszugleichen sollten wir unbedingt nutzen und uns von ihren Innovationen überraschen lassen!
Ein Beispiel aus Australien zeigt welche unglaublichen Entwicklungen möglich sind:
1935 wurden 101 Aga-Kröten, hochgiftige Amphibien, in die Wildnis Australiens eingeführt. Dort sollte diese Art, die ein Gewicht von mehr als 2,5 Kilogramm erreichen kann, zur Schädlingsbekämpfung in Zuckerrohrfeldern eingesetzt werden. Doch wie in vielen Fällen, in denen der Mensch in die Kreisläufige etablierter Ökosysteme eingreift, lief diese Ansiedlung völlig aus dem Ruder und so gibt es heute viele Millionen Aga-Kröten in Australien.
An ihrem starken Gift können sogar Krokodile beim Verzehr der Tiere sterben und so wurde die Verbreitung durch das Fehlen effektiver Fressfeinde begünstigt. Das bringt jedoch enorme Probleme für die autochthone Fauna Australiens. Verdrängungseffekte und Vergiftungen der heimischen Tierarten hat beispielsweise die gefleckte Python und 47 weitere Schlangenarten an den Rand des Aussterbens gebracht.
Jegliche Versuche des Menschen die weitere Ausbreitung der Aga-Kröte zu verhindern verursachten enorme körperliche und finanzielle Aufwände und waren oftmals erfolglos.
Gleichzeitig begann aber auch die Natur zu reagieren und so gibt es inzwischen in Australien mindestens zwei Schlangenarten (die Grüne Baumschlange und die Rotbäuchige Schwarzotter), diezumindest giftige Jungkröten verzehren können.
Die ersten Versuche waren anfänglich vermutlich auch nicht ohne Konsequenzen, aber wie heißt es: „Die Natur findet immer einen Weg“. Durch die große Anzahl an Jungkröten, die für die Schlangen im Überfluss vorhanden sind, setzten evolutionäre Schritte ein:
· Der Kopf wurde in Anpassung an die Jungkröten kleiner.
· Normalweise fressen Schlangen Frösche oder Kröten mit dem Kopf voran. Diese Schlangenarten haben gelernt die Kröten mit den Beinen voran zu fressen. Da sich die Giftdrüsen in Kopfnähe befinden, werden vermutlich zumindest Teile des Giftes dadurch abgestreift.
· Der Körper der Schlange wurde im Durchschnitt größer, was vermutlich dazu dient, um das Gift besser verstoffwechseln zu können.
Es hat sicherlich einige Jahrzehnte gedauert, bis die Nahrung „Aga-Kröte“ für diese Schlangenarten von größerem Interesse war, sodass diese Evolution einsetzten konnte. Das bedeutet, dass ca. 50 bis 70 Jahre dazu ausreichten die Anpassungen vorzunehmen. Vermutlich reichten 20 Generationen aus, um diese Schritte zu setzen, wobei der Prozess mit Sicherheit noch nicht abgeschlossen ist.
Aber was hat das mit dem Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und der Klimapartnerschaft zu tun?
Australien ist ein großes, weitgehend unbesiedeltes Land, wodurch derartige Prozesse möglich sind. In Mitteleuropa sieht dies durch die hohe Bevölkerungsdichte und unsere starkmenschlich überprägten Landschaften schon anders aus. Auch hier gibt es diese Prozesse, aber sie werden durch den Menschen verlangsamt oder völlig unterbunden. Dadurch sind Schutzgebiete, wie das Wildnisgebiet Dürrenstein-Lassingtal und geschützte Flächen der Klimapartnerschaft unerlässlich. Diese Flächenbieten zumindest in kleinem Maßstab die Möglichkeit, dass evolutionäre Prozesse ungehindert ablaufen können. Gerade in Zeiten der Klimakrise, wo es darum geht, ob und wie sich Arten an die neue Situation anpassen können, sind unbeeinflusste Naturschutzgebiete, Nationalparke und Wildnisgebiete von besonderer Bedeutung, da sie Freiluftlabore darstellen, wo derartige Entwicklungen studiert werden können.
„Was bleibt, ist die Veränderung; was sich verändert, bleibt.“ Zitat von Michael Richter (*1952),Dr. phil., deutscher Zeithistoriker und Aphoristiker
Dr. Christoph Leditznig