18 europäische Staaten haben sich während des letzten Jahrzehnts zusammengefunden, um gemeinsam das Weltnaturerbe „Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas“ auf insgesamt 93 Teilflächen ins Leben zu rufen.
Die Rotbuche (Fagus sylcativa), kurz Buche genannt, entwickelte sich nacheiszeitlich zur dominanten Baumart in Europa, bis sie vom Menschen auf relativ wenige Standorte zurückgedrängt wurde. Aus den isolierten Rückzugsgebieten in den Alpen, den Dinarischen Alpen, den Karpaten und den Pyrenäen kehrte die Buche nach Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren langsam nach ganz Europa, bis nach Skandinavien, zurück.
Am 7. Juli 2017 war es dann soweit. Das Wildnisgebiet wurde, gemeinsam mit dem Nationalpark Kalkalpen, von der UNESCO zum ersten und bisher einzigen Weltnaturerbe Österreichs erklärt und ist damit Bestandteil von lediglich etwas mehr als 200 Weltnaturerbestätten weltweit. Das Wildnisgebiet steht damit in einer Reihe mit dem Grand Canyon, den Galapagosinseln, den Dolomiten oder dem Great Barrier Reef.
Im Jahr 2021 wurde die Schutzgebietsfläche um das steirische Lassingtal erweitert. Am 21. September des Jahres 2023 wurden auch die wertvollen Buchenwälder des steirischen Teilgebietes offiziell Bestandteil des seriellen Weltnaturerbes "Alte Buchenwälder und Buchenurwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas".
Das Wildnisgebiet brachte dabei mit dem Urwald Rothwald den einzigen, flächenmäßig nennenswerten Fichten-Tannen-Buchen-Urwald des gesamten Alpenbogens in das Weltnaturerbe ein. Er ist das Alleinstellungsmerkmal des Wildnisgebiets im Rahmen des gesamten Weltnaturerbes. Aber auch weitere Flächen hochmontaner Buchenwälder aus dem Wildnisgebiet fanden Eingang in dieses sogenannte serielle Weltnaturerbe.
Auf der UNESCO-Karte sehen Sie die alten und urzeitliche Buchenwälder der Karpaten und anderer Regionen Europas. Folgende Staaten entschlossen sich zu diesem wichtigen Schritt: Albanien, Belgien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Nordmazedonien, Österreich, Polen, Rumänien, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ukraine.
Das Besondere an einem Welterbe ist sein OUV (Outstanding Universal Value), also sein herausragender universeller Wert, welcher der Nachwelt erhalten bleiben soll. Im Falle der Buchenwälder ist der OUV ein ungestörter und fortlaufender evolutionärer Prozess, der seit der letzten Eiszeit im Gange ist.
Eine Vielzahl an Pflanzen, Pilzen und Insekten breitete sich im Zuge dieser Entwicklung Richtung Norden aus. So ermöglichte eine einzige Baumart vielen weiteren Lebewesen die Besiedelung eines ganzen Kontinentes. Dieses Phänomen ist weltweit einzigartig. Die Lebensgesellschaften sind durch die gemeinsame Entwicklung aufeinander abgestimmt, was die Ökosysteme sehr resistent gegenüber Störungen macht. Größeren Einwirkungen kann der Wald somit standhalten und in seinen grundlegenden Systemzustand zurückfinden.
Abgesehen davon, dass das Gebiet zu den bedeutendsten Schutzgebieten weltweit gehört, bilden die letzten Buchen-Natur- und Urwälder Refugien für seltene Pilz-, Pflanzen- und Tierarten. Aufgrund dieser Bedeutung für viele, teilweise vom Aussterben bedrohte Arten müssen die Buchenwälder Europas unbedingt für die nächsten Generationen erhalten werden.
Für die Region rund um das Wildnisgebiet bedeutet diese hohe Auszeichnung einen deutlichen Mehrwert und eine Aufwertung, da es nur wenige vergleichbare Gebiete weltweit gibt. Wir als Schutzgebietsverwaltung stehen vor der Herausforderung das Prädikat „Weltnaturerbe“ langfristig zu sichern.
Unbeeinflusste, intakte Buchenwälder sind heute extrem rar geworden. Besonders seit dem Mittelalter wurden die Waldflächen in den Tallagen zugunsten von Landwirtschaft und Siedlungsraum gerodet. In Mittel- und Westeuropa wurden die Waldflächen zunehmend technisch erschlossen und forstwirtschaftlich genutzt. Nur im Dinarischen Gebirge, Balkan und den Karpaten konnten sich großflächige (>1000 ha) Buchen-Urwaldgebiete erhalten. 99,9% der Wälder wurden leider so stark überprägt, dass sie keine resistenten Ökosysteme mehr sind. Darüber hinaus sind die meisten Überbleibsel auch noch in Gefahr zerstört zu werden.
Sowohl die stoffliche (Sägeholz, Papierindustrie) als auch die energetische (Brennholz, Hackschnitzel) Nachfrage nach Holz steigt in Europa. Mithilfe von westeuropäischen Investoren wird die Erschließung und Nutzung der Wälder in Süd-Osteuropa rasch vorangetrieben. Ein Verlust dieser Wälder hätte schwere Konsequenzen zu Folge und könnte nicht rückgängig gemacht werden.